Amazon FBA & E-Commerce: Wenn das Weihnachtsgeschäft das Konto sprengt – Meine Erfahrung mit Fulfin
Es ist das Luxusproblem schlechthin, aber es kann dir das Genick brechen: Du verkaufst dich dumm und dämlich.
Ich betreibe seit zwei Jahren einen kleinen Nischen-Shop für Outdoor-Gadgets und verkaufe auch über Amazon FBA. Letzten September ging es los. Mein Bestseller (eine spezielle Camping-Lampe) ging viral auf TikTok. Die Bestellungen prasselten rein. Geil, oder?
Nein. Katastrophe.
Warum? Weil mein Lagerbestand schmolz wie Eis in der Wüste. Ich musste sofort nachbestellen. Mein Lieferant in China wollte aber Vorkasse. Und zwar 30 % bei Bestellung, 70 % vor Verschiffung. Wir reden hier von 35.000 Euro für den Container, damit ich im Weihnachtsgeschäft (Q4) nicht „Out of Stock“ laufe.
Mein Problem: Mein Geld steckte noch in der aktuellen Ware und Amazon zahlt ja auch nur alle 14 Tage aus. Ich war in der klassischen Liquiditätsfalle. Ich wusste, die Ware verkauft sich, aber ich hatte das Geld für den Einkauf nicht.
Warum die Hausbank Online-Händler nicht versteht
Ich bin natürlich zuerst zur Volksbank. Ich hatte sogar meine Zahlen dabei.
Der Berater guckte mich an wie ein Auto.
„Sie haben kein Warenlager hier vor Ort? Die Ware liegt bei Amazon? Und produziert wird in China?“
Für die Bank ist Ware, die sie nicht anfassen kann, keine Sicherheit. Für die ist das Luft. Einen Kredit für „Warenfinanzierung“ ohne Immobilien als Sicherheit? Keine Chance. Die wollten eine BWA vom letzten Jahr sehen. Da war mein Shop aber noch winzig. Das Wachstum von jetzt interessierte die nicht.
Die Lösung aus dem Netz: Fulfin
Ich habe mich dann in diversen Facebook-Gruppen für Amazon-Seller umgehört. Immer wieder fiel der Name Fulfin.
Das ist ein Fintech aus München, das sich komplett auf E-Commerce spezialisiert hat. Das Versprechen: Die gucken nicht auf deine verstaubte BWA, sondern auf deine echten Verkaufszahlen.
Der „Tech“-Moment: API statt Papierkram
Das war echt abgefahren. Ich habe mich dort angemeldet und musste keine Ordner scannen. Stattdessen musste ich meinen Amazon-Seller-Account (und mein Bankkonto) über eine Schnittstelle (API) mit Fulfin verbinden.
Im ersten Moment zuckt man da zusammen. „Denen Zugriff geben?“
Aber eigentlich ist es logisch. Der Algorithmus von Fulfin zieht sich die Daten:
- Wie oft verkauft sich die Lampe?
- Wie viele Retouren habe ich?
- Wie stabil ist der Umsatz?
Das System hat quasi in Echtzeit gesehen: „Okay, der Typ verkauft wirklich gut, der braucht nur Nachschub.“
Das Angebot
Keine 24 Stunden nach der Verknüpfung hatte ich ein Angebot im Dashboard.
Sie haben mir eine Finanzierungslinie über 40.000 Euro angeboten.
Laufzeit: Flexibel, ich habe mich für 6 Monate entschieden, weil ich wusste, nach Weihnachten ist die Ware verkauft und ich bin wieder flüssig.
Die Kosten:
Hier müsst ihr aufpassen. Fulfin arbeitet oft mit einer Festgebühr oder einem monatlichen Faktor. Bei mir lag der effektive Aufschlag irgendwo bei ca. 1,5 % bis 2 % pro Monat auf die Kreditsumme.
Das ist teurer als ein Bankkredit mit 6 % im Jahr.
Aber: Ich habe mal durchgerechnet.
Wenn ich die Ware nicht bestelle, mache ich 0 € Umsatz und verliere mein Ranking bei Amazon.
Wenn ich die Finanzierung nehme, zahle ich zwar ca. 2.000 € Gebühren für den Zeitraum, mache aber 15.000 € Gewinn mit der Ware.
Also ein No-Brainer. Man muss Kredite im E-Commerce nicht als „Schulden“ sehen, sondern als „Einkaufskosten“ wie den Versand.
Auszahlung und Ablauf
Nachdem ich den Vertrag digital unterschrieben hatte (kein Post-Ident, alles Video), war das Geld nach zwei Tagen da. Ich konnte den Lieferanten in China bezahlen.
Die Rückzahlung startete erst, als die Ware (theoretisch) im Verkauf war. Man zahlt dann wöchentlich oder monatlich zurück. Das tut nicht so weh, weil ja parallel die Einnahmen von Amazon reinkommen.
Nur für Profis mit Marge….
Lohnt sich Fulfin für jeden? Nein.
Wenn ihr gerade erst startet und noch keine Sales-Historie habt (mindestens 3-6 Monate wollen die schon sehen), wird es schwer.
Und: Eure Marge muss stimmen. Wenn ihr eh nur 10 % Gewinn an einem Produkt habt, dann fressen euch die Finanzierungskosten den Gewinn weg. Aber wenn ihr – wie üblich im Private Label Bereich – Margen von 20-30 % habt, dann ist das der Turbo für euer Wachstum.
Vorteile:
- Verstehen das E-Commerce Business (Seasonality, Q4)
- Keine dinglichen Sicherheiten nötig (die Ware/Umsatz ist die Sicherheit)
- Extrem schnell durch API-Anbindung
Nachteile:
- Teurer als Hausbank
- Nur für reine Online-Händler (Stationär zählt hier kaum)
Ich konnte dank der Finanzierung das Weihnachtsgeschäft voll mitnehmen und war nicht einen Tag „Out of Stock“. Die Bank ärgert sich heute noch, dass sie das Geschäft nicht gemacht haben – oder auch nicht, die verstehen es ja eh nicht. 😉
Wie finanziert ihr euren Wareneinkauf? Habt ihr reiche Eltern oder nutzt ihr auch Warenfinanzierer?
Bis bald, Euer Alex