Kredit für Amazon-Seller: Meine ehrlichen Erfahrungen mit Amazon Lending – bequem, schnell, aber gefährlich unterschätzt

Veröffentlicht am 17. Dezember 2025

Wenn es eine Berufsgruppe gibt, die regelmäßig zwischen Euphorie und Existenzangst pendelt, dann sind es Amazon-Seller. Heute läuft der Account heiß, morgen wird ein Listing gesperrt. Heute ist Cashflow satt da, nächste Woche frisst der Warenbestand alles auf. Genau in dieser Welt taucht plötzlich dieses Angebot im Seller Central auf: „Amazon Lending – Ihnen steht eine Finanzierung zur Verfügung.“

Und genau darüber schreibe ich heute.
Beruf: Amazon-Seller (FBA, FBM, Private Label, Wholesale)
Kreditanbieter: Amazon Lending

Ich bin Alex. Seit Jahren begleite ich Selbstständige, Onlinehändler und Unternehmer bei Finanzierungsfragen. Und Amazon Lending ist einer dieser Anbieter, bei dem ich immer wieder merke: Viele nutzen ihn – aber nur wenige verstehen wirklich, was sie da tun.


Warum Amazon-Seller bei klassischen Banken fast immer scheitern

Rein von außen wirken Amazon-Seller wie Traumbusinesses:

  • hohe Umsätze
  • skalierbar
  • international
  • digital

Banken sehen das… völlig anders.

1. Abhängigkeit von einer Plattform

Für Banken ist Amazon kein Vertriebskanal, sondern ein Klumpenrisiko.
Eine Frage dominiert alles:
Was passiert, wenn Amazon den Account sperrt?

Und jeder, der im Amazon-Game steckt, weiß:
Diese Frage ist leider berechtigt.

2. Hoher Umsatz, wenig greifbarer Gewinn

Viele Seller haben:

  • hohe Umsätze
  • dünne Margen
  • hohe Werbekosten
  • lange Kapitalbindung im Lager

In der BWA sieht das oft schlimmer aus, als es sich anfühlt.

3. Warenbestand zählt kaum als Sicherheit

Für dich ist dein Lager Gold wert.
Für Banken ist es Risiko pur:

  • Veralterung
  • Retouren
  • Preisverfall
  • Abhängigkeit vom Ranking

Ergebnis: Ablehnung oder Mini-Kredit


Was Amazon Lending eigentlich ist – und was nicht

Amazon Lending ist kein klassischer Kredit. Punkt.
Es handelt sich um eine plattforminterne Unternehmensfinanzierung, die Amazon ausgewählten Sellern anbietet. Kein Antrag, kein Gespräch, keine Verhandlung.
Amazon sagt im Prinzip:
„Wir kennen dich. Wir kennen deine Zahlen. Hier ist Geld.“

Typische Eckdaten:

  • Kreditbetrag: meist 5.000 – 750.000 €
  • Laufzeit: 6–12 Monate (manchmal länger)
  • Rückzahlung: automatischer Abzug von Verkaufserlösen
  • Zinsen/Gebühren: fix, kein klassischer Effektivzins
  • Zweck: faktisch egal (realistisch: Ware & Ads)

Das Entscheidende:
Amazon kontrolliert gleichzeitig deinen Umsatz UND deine Rückzahlung.
Das ist bequem – und brandgefährlich, wenn man es falsch nutzt.


Warum Amazon Lending für Seller extrem verlockend ist

Ich verstehe jeden, der zugreift. Wirklich.

1. Kein Antrag, keine Ablehnung

Du wirst ausgewählt.
Das Ego freut sich.
Der Stress fällt weg.

2. Geschwindigkeit

Ich kenne Fälle, da war das Geld innerhalb von 48 Stunden verfügbar. Für Amazon-Seller, die auf Container, Hersteller oder Q4 warten, ist das Gold.

3. Rückzahlung fühlt sich „weich“ an

Kein Überweisen, kein Nachdenken.
Amazon zieht sich einfach einen Teil deiner Umsätze ab.
Psychologisch extrem gefährlich – weil es sich nicht wie Schulden anfühlt.


Meine echten Erfahrungen mit Amazon-Sellern & Amazon Lending

Jetzt kommen die Muster, die ich immer wieder sehe.


Erfahrung 1: Warenfinanzierung rettet das Q4

Ein Private-Label-Seller hatte ein Top-Produkt, aber nicht genug Cash, um rechtzeitig Ware für Q4 zu bestellen.

Amazon Lending: 80.000 €
Ergebnis:

  • Ware rechtzeitig da
  • Q4 voll mitgenommen
  • Kredit in wenigen Monaten zurückgezahlt

Hier hat Amazon Lending exakt das getan, wofür es gedacht ist.


Erfahrung 2: Der schleichende Cashflow-Verlust

Ein anderer Seller nutzte Amazon Lending mehrmals hintereinander.

Problem:

  • Marge war knapp
  • Amazon zog permanent Umsatzanteile ab
  • Ads mussten reduziert werden
  • Ranking verschlechterte sich

Am Ende sagte er:
„Ich hatte Umsatz, aber kein Geld.“

Klassischer Amazon-Lending-Fehler.


Erfahrung 3: Account-Problem + Kredit = maximaler Stress

Ein Worst-Case, den ich leider mehr als einmal gesehen habe:

  • Kredit läuft
  • Account wird gesperrt
  • Umsatz = 0
  • Rückzahlung läuft trotzdem weiter

Amazon ist hier kein Partner – sondern Gläubiger.

Das muss man wissen, bevor man klickt.


Vorteile und Nachteile von Amazon Lending – brutal ehrlich

Vorteile:

  1. Extrem schnell & unkompliziert
  2. Perfekt für Warenfinanzierung
  3. Keine Bank, keine Diskussion
  4. Rückzahlung automatisch & umsatzabhängig
  5. Hohe Beträge möglich bei gutem Account

Nachteile:

  1. Abhängigkeit von Amazon wird maximal
  2. Teurer als klassische Kredite
  3. Dauerabzug vom Umsatz schmerzt langfristig
  4. Kein Schutz bei Account-Problemen
  5. Verführt zur Dauernutzung

Amazon Lending ist bequem – aber gnadenlos.


Für welche Amazon-Seller ist Amazon Lending sinnvoll?

Sehr gut geeignet, wenn…

  • du profitabel bist
  • du Ware vorfinanzieren musst
  • du einen klaren ROI rechnest
  • du saisonale Peaks nutzt
  • du das Geld gezielt einsetzt
  • du einen Puffer hast

Nicht geeignet, wenn…

  • deine Marge ohnehin dünn ist
  • du Verluste stopfen willst
  • dein Account nicht stabil ist
  • du dauerhaft Liquidität brauchst
  • du keine Notfallstrategie hast

Amazon Lending ist kein Rettungsboot.
Es ist ein Hebel.


Amazon Lending ist mächtig – aber nicht dein Freund

Ich sage es ganz klar:
Amazon Lending ist eines der effizientesten, aber auch gefährlichsten Finanzierungsinstrumente für Amazon-Seller.

Es ist:

  • schneller als jede Bank
  • bequemer als jeder Kredit
  • datenbasierter als jeder Berater

Aber es ist auch:

  • unpersönlich
  • kompromisslos
  • eiskalt, wenn etwas schiefläuft

Mein Rat aus Erfahrung:
? Nutze Amazon Lending nur, wenn du es nicht brauchst – sondern gezielt einsetzen willst.

Wenn du es nimmst, um zu überleben, bist du bereits in einer gefährlichen Position.