Die stille Insolvenzgefahr: Warum Treue zum lokalen Stromversorger meine Marge gekillt hat

Veröffentlicht am 8. Dezember 2025

Es gibt Rechnungen, die öffnet man mit einem genervten Seufzen, und es gibt Rechnungen, bei denen einem schwarz vor Augen wird. Letzteres passierte mir neulich, als ich bei einem befreundeten Bäckermeister im Büro saß. Er schob mir einen Brief rüber: Die Ankündigung der neuen Abschlagszahlungen seines lokalen Stadtwerks. Der Preis pro Kilowattstunde hatte sich fast verdoppelt. Für einen Betrieb, bei dem die Öfen 12 Stunden am Tag auf Hochtouren laufen und die Kühlhäuser 24/7 surren, ist das kein „kleines Ärgernis“. Das ist existenzbedrohend. Wir rechneten kurz durch: Wenn er diese Preise akzeptiert, arbeitet er den kompletten Montag und Dienstag nur, um die Stromrechnung zu bezahlen. Gewinn? Fehlanzeige. Das Verrückte daran war seine Resignation. „Da kann man nichts machen, Alex. Das ist halt der Marktpreis, und ich bin seit 20 Jahren bei den Stadtwerken. Die lassen sicher nicht mit sich handeln.“

Genau das ist der Irrglaube, der den deutschen Mittelstand Millionen kostet. Wir verhandeln hart mit Mehl-Lieferanten, wir feilschen um jeden Cent beim Großmarkt, aber bei Strom und Gas verfallen wir in eine seltsame Schockstarre. Ich nahm mir seine letzte Jahresabrechnung vor. Jahresverbrauch: knapp 45.000 kWh. Tarif: „Gewerbe Grundversorgung“. Das Wort „Grundversorgung“ ist im Business-Kontext eigentlich ein Synonym für „Geldverbrennung“. Wer in der Grundversorgung steckt, zahlt die Bequemlichkeits-Steuer. Ich holte meinen Laptop raus und öffnete Check24. Viele kennen das Portal nur aus der nervigen Fernsehwerbung für private Handyverträge, aber was kaum jemand auf dem Schirm hat: Es gibt einen dedizierten Bereich für Gewerbestrom und Industriekunden.

Der Vergleichsprozess unterscheidet sich kaum vom privaten Sektor, aber die Hebelwirkung ist gigantisch. Wir gaben seine Postleitzahl und den Jahresverbrauch ein. Wichtig ist hierbei die Unterscheidung: Bis zu einem Verbrauch von ca. 100.000 kWh funktioniert der Wechsel standardisiert (Standardlastprofil). Darüber hinaus braucht man eine individuelle RLM-Messung (Registrierende Leistungsmessung), aber selbst das können die Portale mittlerweile vermitteln. Das Ergebnis auf dem Bildschirm war wie ein Schlag ins Gesicht – im positiven Sinne. Ganz oben in der Liste tauchte ein Anbieter auf, der sich auf B2B-Kunden spezialisiert hat. Der Arbeitspreis lag satte 9 Cent unter dem Angebot der Stadtwerke. Dazu gab es eine Preisgarantie für 12 Monate und einen Neukundenbonus, der direkt verrechnet wird.

Wir haben das Ganze dann konservativ durchgerechnet, ohne den einmaligen Bonus, nur den reinen Arbeitspreis und die Grundgebühr. Die Ersparnis lag bei knapp 4.000 Euro netto im Jahr. Vier. Tausend. Euro. Das ist ein Netto-Monatsgehalt eines Gesellen. Oder der Leasing-Abtrag für den neuen Lieferwagen. Mein Freund zögerte trotzdem. Die typische deutsche Angst: „Was, wenn der Billiganbieter pleitegeht? Gehen dann bei mir die Lichter aus und der Teig vergammelt?“ Hier muss man ganz klar aufklären: In Deutschland geht niemals einfach das Licht aus. Die Versorgungssicherheit ist gesetzlich garantiert. Wenn ein Anbieter pleitegeht, fällt man automatisch zurück in die Grundversorgung der Stadtwerke. Man hat also null Risiko, im Dunkeln zu stehen. Das Einzige, was passieren kann, ist Papierkram.

Der Wechsel selbst dauerte keine zehn Minuten. Wir haben den neuen Vertrag direkt über das Portal abgeschlossen. Keine Briefe schreiben, keine Telefonate in Warteschleifen. Der neue Anbieter kündigt den alten Vertrag. Es ist absurd einfach. Drei Wochen später kam die Bestätigung. Der Zähler bleibt der gleiche, die Leitungen bleiben die gleichen, der Strom ist physikalisch identisch. Nur die Abbuchung auf dem Konto ist drastisch niedriger. Für mich war das wieder der Beweis: Als Unternehmer müssen wir unsere Loyalität unseren Zahlen widmen, nicht dem Versorger, nur weil er Sponsor beim lokalen Fußballverein ist. Wer heute noch „aus Prinzip“ nicht wechselt, handelt fahrlässig. Checkt eure Abrechnungen. Wenn ihr mehr als 30.000 kWh verbraucht und seit Jahren nicht gewechselt habt, liegt bares Geld auf der Straße.